Europäisches Sozialversicherungsrecht


Auswirkung des EU-Rechts auf das Sozialversicherungsrecht
Aus dem Zusammenwachsen der europäischen Staaten ergeben sich häufig Rechtsfragen für die inEuropa tätigen Unternehmen. In diesem Zusammenhang spielt das europäische Sozialversicherungsrechteine große Rolle. Hierbei geht es darum, nach welchem Recht sowohl Unternehmer als auch Arbeitneh-mer, die grenzüberschreitend tätig werden, in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht zu behandeln sind.Dies gilt sowohl für die Frage der Heranziehung zu Beiträgen zur Sozialversicherung als auch für dieFrage der Gewährung sozialer Leistungen.

Die Fragen spielen zum einen für die Zeit vor dem Beitritt bestimmter europäischer Staaten zur EU undzum anderen nach ihrem Beitritt zur EU eine Rolle. In der Zeit vor dem Beitritt zur EU wurden Rechts-fragen in vielen Fällen durch entsprechende Sozialabkommen zwischen Deutschland und den ent-sprechenden europäischen Ländern geregelt. Nach dem Beitritt dieser Länder zur EU wirkt sich dasinsoweit einschlägige EU-Sozialversicherungsrecht entscheidend aus. Hierbei gilt nach den jeweiligenEU-Verordnungen der Grundsatz, dass ein Arbeitnehmer nur in einem EU-Land zur Sozialversicherungheranzuziehen ist, also eine doppelte Inanspruchnahme in verschiedenen EU-Ländern ausscheidet.

Die Beurteilung der angesprochenen Fragen ist für die davon betroffenen Unternehmen, die als Werk-und Dienstleister in anderen europäischen Staaten tätig werden, von großer Tragweite. Hierbei geht eshäufig um Beitragsforderungen deutscher Sozialversicherungsträger in Millionenhöhe. Dies ist der Fall,weil die Deutsche Rentenversicherung und der Zoll im Nachhinein oft einen sogenannten“Scheinwerkvertrag” annehmen. Hieraus folgern sie unzutreffend, dass die entsandten Arbeitnehmervon Beginn ihrer hier ausgeübten Tätigkeit an nach deutschem Sozialversicherungsrecht hätten versi-chert werden müssen. 


Zoll geht gegen Werkunternehmen vor
Zu einem solchen Ergebnis kommt die deutsche Sozialversicherung häufig nach vom Zoll durchgeführ-ten Überprüfungen, weil im Fall einer angenommenen illegalen Arbeitnehmerüberlassung der bisherigeAuftraggeber eines Werkvertrags nunmehr als Arbeitgeber der Arbeitnehmer aus dem anderen EU-Staatangesehen wird. Dadurch fällt die im Rahmen der werkvertraglichen Abwicklung anzunehmendeEinbeziehung in die Sozialversicherung im Heimatland weg. Daher wird von der Pflicht zur Beitrags-zahlung an die deutsche Sozialversicherung rückwirkend ausgegangen. Gleichzeitig wird in diesenFällen auch eine Hinterziehung von Sozialabgaben nach § 266a StGB strafrechtlich angenommen.


Schutz durch Entsendebescheinigungen
Im Rahmen des europäischen Sozialversicherungsrechts spielt jeweils eine wichtige Rolle, welcheBedeutung die in diesem Fall von den ausländischen Sozialversicherungsbehörden ausgestelltenEntsendebescheinigungen haben. Hierzu ist inzwischen anerkannt, dass diese bis zu ihrem etwaigenWiderruf die Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge im Heimatland abschließendbeurteilen. Solange sie bestehen, sind auch die deutschen Behörden und Gerichte verpflichtet, dies zubeachten. In diesen Fällen kann es, solange die Entsendebescheinigungen bestehen und nicht imHeimatland widerrufen worden sind, nicht zu einer Heranziehung von Beiträgen zur deutschen Sozial-versicherung kommen.

In gleicher Weise ist davon auszugehen, dass die Entsendebescheinigungen auch das Bestehen einesArbeitsverhältnisses des ausländischen EU-Unternehmens mit seinen Arbeitnehmern bestätigen. Dieswiederum hat zur Folge, dass es nicht im Nachhinein bei Aberkennung der werkvertraglichen Durch-führung dazu kommt, dass der deutsche Auftraggeber als Arbeitgeber der ausländischen Arbeitnehmerbehandelt wird und eine Arbeitserlaubnis benötigt.

In diesem Zusammenhang gibt es unter anderem folgende Veröffentlichungen von uns:


  • Die vielfach bewusst übersehene Bedeutung der EUGH-Entscheidung “Herbosch-Kiere”, Blickpunkt Dienstleistung, Heft 11/2012
  • Alle, die sich mit solchen Fallen befassen, sind sehr froh, dass es den EuGH gibt, Steuerberater-Magazin 5/2014
  • Missbrauch von Werkverträgen: Rechnung ohne den Wirt, Europäisches Wirtschafts- undSteuerrecht, Heft 1/2014
  • Die Strafbarkeit von Altfällen illegaler Beschäftigung von Rumänen und Bulgaren im Lichtdes Europarechts, wistra, Heft 11/2014
  • Anspruch der Sozialversicherungsträger in Deutschland bei der Fiktion eines Arbeitsverhält-nisses, Betriebsberater, Heft 47/2014
  • Zur seltsamen Vernachlässigung der Rechtsfolgen des § 2 Abs. 3 StGB im Rahmen derEntwicklung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im EU-Recht, Neue Zeitschrift für Wirtschaft-,Steuer- und Unternehmensstrafrecht, Heft 11/2014


➡️  Veröffentlichungen



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